Wie es einmal war …

Steffi Wróbel hofft, dass der Sinn des Heiligen Abends – die Geburt des Erlösers Jesus Christus – nicht untergeht. Foto: K. Kandzia

Wie gut, dass wir als Kinder viel Zeit hatten, um uns auf den hl. Abend zu freuen. Jeden Sonntag das Anzünden des nächsten Lichtels war schon aufregend und die erwartende Freude wuchs. Bei mir daheim wurde selbständig ein echter Kranz aus frischen, grünen Tannen oder Fichtenzweigen gewunden, denn wir wohnten im oder direkt am Walde, wie es bei Forst-leuten eben war. Wunschzettel schrieb man in meiner frühen Kindheit nicht. Man freute sich sowieso. Am hl. Abend stieg die besondere Aufregung, auf den leucht-enden Christbaum, den Gabentisch und am späten Nachmittag diese besondere Mahlzeit. Erst wurde gemeinsam das Vater unser gebetet, und dann bekam der schon knurrende Magen die Besonderheiten kredenzt: Stampfkartoffeln, Sauerkraut und echte schlesische Weißwürstel, alles mit brauner Butter begossen, mmh! (Diese Delikatesswürstel gab es ein zweites Mal am Silvesterabend). Zum Nachtisch gab es Mohnklöße (schlesisch Mohnkliesla). Danach der große Moment, die Bescherung! Bei uns bekam jeder einen sogenannten Gabenteller, einen Weihnachtspappteller mit Süßigkeiten, Pfefferkuchen, Nüssen, Marzipan und Schokoladenfiguren. Doch zuvor wurden Weihnachtslieder gesungen: „Stille Nacht“, „O du fröhliche“ und „Ihr Kinderlein kommet“.
Meine Eltern sangen beide gut, und Papa spielte auch auf seiner Mundharmonika. Als ich dann mit 8 Jahren meine erste Pappziehharmonika bekam, begleitete ich den Gesang. Zur Christmesse konnten wir nicht gehen, wir wohnten weit weg von Kirchen. Am 1. Weihnachtsfeiertag gingen die Eltern, Mama in die katholische, Papa in die evangelische Kirche. Wir vier Kinder sind katholisch getauft, aber kleinere Kinder wurden zur hl. Messe nicht mitgenommen. Früh und abends betete ich: „Ich bin klein, mein Herz ist rein...“.Wir hatten auch so eine kleine Krippe mit einem Lichtel beleuchtet. Es war damals ein so unbeschreiblich feierliches Gefühl, so was konnte man nur als Kind empfinden! Unser Christbaum wurde von Papa mit viel Lametta und echten Kerzlein und viel Liebe geschmückt! Von meiner Oma Hanna wurde ich angeregt, während der Advents- und Fastenzeit alle Süßigkeiten, die ich bekam, in einem Versteck aufzuheben, bis zum Fest, und das hab ich auch getan, als eine Art Vorbereitung. Jedoch nur bis 1938. Mit Kriegsbeginn war‘s aus damit, die Süßigkeiten waren rar und man wurde auch nur „ausnahmsweise” damit beschenkt. Heiligabend 1945 in Klein Silsterwitz (Sulistrowiczki) – Papa ist aus der russischen Gefangenschaft zurück, sein Vater, Opa Ferdinand, mit uns, Oma Gustel verstarb während der Flucht, ist in Bad Kudowa begraben, – ein ganz bescheidenes Heiligabend-Essen, bestehend aus Kartoffeln, Sauerkraut und einem Kleckschen Butter. Der erste polnische Förster (mein späterer Ehemann) wohnte auf der einen Seite des Forsthauses. Er kam zu uns rüber und brachte die sogenannten „Opłatek” (ein uns damals noch unbekannter Brauch), er teilte sie mit uns und wünschte ein frohes Fest. Es war der erste polnische volkstümliche Brauch, den wir kennen lernten. Weihnachten 1946. Der Vater von Förster Wróbel (mein zukünftiger Schwiegerpapa) ist zu Besuch da und versteht sich sehr gut mit uns allen, aber vor allem mit meinen viel jüngeren Geschwistern, denn er ist zum Spaßmachen aufgelegt.

8. Oktober 1947 Eugen heiratete Steffi
Die Zeit war schwierig für uns beide. Ich musste mich auf polnische Sitten und Bräuche umstellen, vor allem in der Küche! Aber ich muss einen großen Sprung wagen, um nicht in Details zu verfallen. Meine Familie wuchs schnell, es blieb keine Zeit zum Grübeln oder Überlegen. Ich gab mir viel Mühe, um trotz der Hektik die Advents- und Weihnachtszeit mit meiner Familie so heimelig und vertraut wie möglich zu gestalten. Ob mir der große „Sprung“ aus der alten deutschen Zeit in die heutige polnische Gegenwart gelungen ist? Ich hoffe, dass wir trotz allem „Drunter und drüber” den eigentlichen Sinn des heiligen Abends – die Geburt unseres Erlösers Jesus Christus – nicht vergessen. Noch ein unerwünschter, jedoch lustiger Zwischenfall – zum Nikolausabend am 6. Dezember1943, der für meine 3 kleinen Geschwister immer organisiert wurde. In Klein-Silsterwitz fand sich dazu eine robuste Bauerntochter. Sie war groß und hatte eine tiefe Stimme. An einem 6. Dezember geschah folgendes: Draußen lag Schnee und die Stiefeln des Nikolaus waren vereist. Als die Küchentür aufging, rutschte der „Nickel” auf der Türschwelle aus und krachte der Länge nach mit Sack und Pack direkt in die Küchenmitte. Die Kinder schrien erschreckt und alle Erwachsenen mussten sich das Lachen verkneifen, denn die Situation war ulkig. Bloß der arme „Nickel” hat sich natürlich dabei weh getan und musste alles wegstecken. Steffi Wróbel

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