Eine Geschichte ohne Ausgang

Ursula Wien sitzt unten, zweite v.l. Alle Frauen, v.l: Brigitte Marienfeld, Christa Pohl, Brigitte Sattler, Luzie Schulz, Dorothee Holzky, Friedel Frommholz, Helga Fehre. Sitzend: Anneliese Weiß, Ursula Wien, Inge Porsch, Dorothea Funk, Eva Radau, Ursula Tobien, Kordula Grunwald. Foto: L. Kryszalowicz

Sie wurden zufällig unter der Schwelle des Gemeindeamtes in Braunsberg (Braniewo) gefunden – Liebesbriefe an Ursula Wien. Fast 80 Jahre lang lagen sie dort verborgen. Die Liebesgeschichte zweier junger Ostpreußen aus dem Jahr 1941 hatte kein gutes Ende. Wer kann helfen, das Schicksal des Paares zu ermitteln?
Vor dem Krieg gab es im Gebäude des heutigen Braunsberger Gemeindeamtes in der Rodelshoferstraße 5 (ul. Moniuszki 5) Wohnungen für Lehrer. In den Räumen im 2. Stock, wo die Briefe gefunden wurden, wohnte die Familie Wien. Das Oberhaupt dieser Familie, Anton Wien (1884-1951), war bis 1945 Englisch- und Französischlehrer am Braunsberger Gymnasium. Früher war er dort Schüler gewesen. Er machte sein Abitur 1906 und studierte dann in Freiburg und Königsberg. Nach dem Krieg lebte er in Westdeutschland. Er war ein Cousin des Historikers Dr. Franz Buchholz, der die erste Monografie über Braunsberg verfasste. Anton Wien war mit Marianna verheiratet und das Paar hatte vier Kinder: Kurt (1922-1941) starb in einem Lazarett in Braunsberg, Norbert (1923-1943) starb in Smolensk, Ursula (1925-2019) und Reinhold (1928-1959). Alle Kinder kamen in Braunsberg zur Welt.
Diese und andere Informationen über die Familie Wien hat Dorota Olbryś, die stellvertretende Direktorin des Landesmuseums Braunsberg, die die vom Gemeindevorsteher Jakub Bornus gefundenen Briefe erhielt, herausgefunden.
Die Briefe richteten sich an Ursula Wien, damals 16 Jahre alt, und wurden von ihrem 17-jährigen Freund geschrieben, dessen Name noch nicht ermittelt werden konnte und der zum damaligen Zeitpunkt in der Armee war. Dorota Olbryś hat sich mit dieser Geschichte sehr engagiert befasst. Sie bat Bettina Müller, eine deutsche Journalistin, die Briefe zu entziffern, da diese handschriftlich in gotischer Schrift verfasst waren. Anschließend bat sie Joanna Wenta, eine Deutschlehrerin vom Braunsberger Bauschulkomplex, um eine Übersetzung ins Polnische. „Aus den Briefen geht hervor, dass der Verfasser zu dieser Zeit in der Wehrmacht in Herford (bei Bielefeld) diente. Er schreibt, dass er in der Armee viele Dinge sehe, die er als 17-Jähriger nicht sehen sollte und dass ihm das zu viel sei, aber er dürfe nicht darüber schreiben. Er berichtet auch, dass er in einigen Wochen einen Treueeid auf den Führer ablegen und zu Weihnachten bestimmt wieder zurück sein werde. Die Briefe lassen darauf schließen, dass die beiden irgendwelche Konflikte mit ihren Eltern hatten. Außerdem lassen sie vermuten, dass Ursula und ihr Freund Verbindungen nach Mehlsack (Pieniężno) hatten. Leider ist die Unterschrift des Absenders auf den Briefen und der Postkarte nicht lesbar. „Durch Wassereinwirkung teilweise unleserlich gemacht“, fasst Dorota Olbryś den Inhalt zusammen.
Olbryś fand heraus, dass Ursula Wien 1949 geheiratet hat und hieß dann Quecke. Sie starb am 4. Februar 2019 und wurde auf dem Friedhof in Dinslaken bei Duisburg beigesetzt. 2018 besuchte sie aber noch einmal Peterswalde, Gem. Mehlsack, woher ihre Eltern stammen.

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