Ein Schlag ins Gesicht

Bernard Gaida ist enttäuscht. Er war zwar nicht sicher, ob die Kommission alle Punkte umsetzen würde, hat aber nicht erwartet, dass die Initiative abgelehnt wird. Foto: vdg.pl

Europäische Kommission lehnt Minority SafePack-Initiative ab

Die Europäische Bürgerinitiative Minority SafePack, deren Ziel es war, die Rechte nationaler, ethnischer und sprachlicher Minderheiten auf dem gesamten EU-Gebiet zu vereinheitlichen, ist letztendlich vor der Europäischen Kommission gescheitert. Vertreter der Minderheiten und Unterstützer der Initiative zeigen sich enttäuscht.
Am 14. Januar hat die Europäische Kommission beschlossen, keine gesonderte gesetzliche Regelung zum Schutz der nationalen und sprachlichen Minderheiten, die im Rahmen der Europäischen Bürgerinitiative Minority SafePack gefordert wurde, auf den Weg zu bringen. Der Präsident der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten und Europaabgeordnete Loránt Vincze sagte in seinem Statement dazu: „Die Kommission hat die Forderung derjenigen zurückgewiesen, für die die Bewahrung des sprachlichen und kulturellen Erbes Europas nicht nur ein wohlklingendes Schlagwort, sondern eine tägliche Herausforderung ist. Die veröffentlichte Stellungnahme der Kommission ist nicht mehr als ein Schulterklopfen, während die über 1,1 Millionen Unterzeichnenden auf konkrete Maßnahmen und Schritte warteten. Die Kommission hat nun die rund 50 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger, die zu nationalen und sprachlichen Minderheiten gehören, im Stich gelassen. Millionen von ihnen haben bereits in ihrem eigenen Land in einer Situation der Ungleichheit leben müssen, nun wendet sich auch die Europäische Kommission, die eigentliche Hüterin von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Würde und Gerechtigkeit, von ihnen ab“.

Deutsche in Polen
Auch bei der deutschen Minderheit in Polen ist die Enttäuschung über die Entscheidung der Europäischen Kommission groß. Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbandes deutscher Gesellschaften, der federführend bei der Unterschriftensammelaktion in Polen gewesen ist, sagt zur Entscheidung: "Wir haben so viel Energie in die Unterstützung dieser Initiative gesteckt und u. a. wie vorgeschrieben in den EU-Staaten über eine Million Unterstützungsunterschriften gesammelt. Minority Safepack hat zudem die volle Zustimmung des Bundestages und des Europäischen Parlaments erhalten. Am Ende dieses langen, mühsamen Weges lehnt die Europäische Kommission dies jedoch einfach ab. Ich kann daher nur sagen, ich bin enttäuscht! Ich war nicht sicher, ob die Kommission alle vorgeschlagenen Punkte in der MSPI umsetzen wird, aber ich habe auch nicht erwartet, dass die Initiative als Ganzes abgelehnt wird". Die Entscheidung der Kommission bedeutet in der Praxis, dass die in verschiedenen europäischen Ländern geltenden unterschiedlichen Rechtsnormen in der Minderheitenpolitik für die kommenden Jahre unverändert bleiben. "Die Europäische Kommission sieht keine Notwendigkeit, gesetzgeberische Maßnahmen zu schaffen, die den Schutz der in der EU lebenden nationalen und ethnischen Minderheiten verbessern würden. Die unterschiedlichen Standards in den Mitgliedsländern in Bereichen wie Schulwesen, Zugang zu Medien, aber auch die finanzielle Förderung werden unterschiedlich bleiben", resümiert Bernard Gaida die Entscheidung der Europäischen Kommission und fügt hinzu: „Es bleibt uns innerhalb der FUEN zu überlegen, welche Schritte wir gegen diese Entscheidung der Kommission unternehmen können. Es sollte nämlich nicht so sein, dass eine demokratische Initiative der EU-Bürger gegen die bürokratische Maschine verliert.“

Nicht aufgeben!
Für die Minority SafePack-Initiative engagierte sich auch von Anfang an der ehemalige Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk. Im Interview für das „Wochenblatt.pl“ sagte er, die Entscheidung der EU-Kommission sei ein Schlag ins Gesicht der ethnischen Vielfalt in der Europäischen Union. Gleichzeitig betonte er, nun dürfe die Flinte nicht ins Korn geworfen werden. „Wir brauchen jetzt ein dreifaches Vorgehen. Wir brauchen eine Mobilisierung der Minderheiten in Europa und aller, die MSPI unterstützen, durch die FUEN. Und da glaube ich, ist die deutsche Minderheit in Polen und die deutschen Volksgruppen in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten in der FUEN ein ganz wichtiger Faktor. Aber wir brauchen auch zweitens eine neue Initiative, die aus dem EU-Parlament herauskommt und drittens müssen die nationalen Parlamente, die die bisherige Initiative unterstützt haben, ihren Regierungen Dampf machen. Ich sage es ganz deutlich: Jetzt muss man den Bürokraten in Brüssel, die manchmal sehr weit von der europäischen Wirklichkeit sind, auch ein wenig deutlich machen, dass man nicht gegen die Menschen in Europa wichtige Verbesserungen im Minderheitenschutz für die ethnischen Vielfalt hinweggeben kann.“, sagt Hartmut Koschyk. Nach Ansicht der Initiatoren der Minority SafePack-Initiative ist nämlich die Entscheidung der EU-Kommission in mehrfacher Hinsicht mangelhaft. Sie diskreditiere das Instrument der Europäischen Bürgerinitiative, das einzige Instrument der partizipierenden Demokratie der EU, indem sie es ablehnt, im Falle der fünften erfolgreichen Initiative in Folge eine Gesetzgebung auf den Weg zu bringen. Anstatt näher an die Bürger heranzutreten, ignoriere die EU erneut ihre Vorschläge, was das heutige Demokratiedefizit der EU widerspiegele.

Nicht alles umsonst
Trotz des Rückschlags bei der Minority Safepack-Initiative betont FUEN-Präsident Loránt Vincze, dass die jahrelange Arbeit der Initiatoren und Unterstützer nicht umsonst gewesen ist. "In den letzten Jahren haben wir einen Mehrwert geschaffen: Wir haben nationale und sprachliche Minderheiten in ganz Europa zusammengebracht, die sich gemeinsame Ziele gesetzt haben. Das Niveau der Zusammenarbeit, das wir erreicht haben, ist bisher beispiellos. Wir haben das Fundament gelegt, auf dem wir nun gemeinsam aufbauen können. Wir haben die Belange der nationalen Minderheiten auf die Agenda der europäischen Politik gesetzt und die Aufmerksamkeit auf all das gelenkt, was Minderheitengemeinschaften in Europa an den gemeinsamen Tisch mitbringen können und zugleich auf unsere Probleme und Erwartungen hingewiesen. Eine große Anzahl von Mitgliedsstaaten und Regionen stand uns dabei zur Seite. Es ist bedauerlich, dass die endgültige Entscheidung in unserem Fall nicht von den gewählten Vertretern getroffen wurde, sondern von den Bürokraten, die uns in der Tat von Anfang an ein Hindernis nach dem anderen in den Weg gelegt haben. Wir wissen, dass wir Recht haben, wir wollen das Beste für unsere Minderheitengemeinschaften, wir wollen das Beste für die Mitgliedsstaaten, wir wollen das Beste für Europa, und die Ergebnisse unserer Arbeit von fast einem Jahrzehnt können uns durch diese Entscheidung der Kommission nicht genommen werden. Trotz unserer Enttäuschung werden wir nicht aufgeben und wir bitten alle, die uns bisher zur Seite gestanden haben, nicht aufzugeben", sagte Vincze.

Zur Erinnerung
Die Minority SafePack-Initiative ist ein Paket von Gesetzesvorschlägen, die den Schutz nationaler Minderheiten gewährleisten sowie die Förderung von Minderheitenrechten, Sprachrechten und den Schutz ihrer Kultur ermöglichen soll. Dabei geht es um Bereiche wie Bildung, Sprachgebrauch, Fördermittel und nicht zuletzt um Medien, zu denen die Volksgruppen den gleichen Zugang bekommen sollen, egal, ob sie in einem Land eine große oder nur eine kleine Minorität darstellen. Rudolf Urban

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