Denken – Gedenken – Nachdenken

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Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?

Joh 11, 25-26

Im Spätherbst denken wir unserer Verstorbenen. Diese Zeit des Gedenkens und Nachdenkens beginnt mit den Festen Allerheiligen und Allerseelen. Die kürzeren Tage schenken Zeit und Gelegenheit, an die Lieben zu denken, die uns vorausgegangen sind. Wir danken ihnen für ihre Obhut und Zuwendung.
Unvorstellbar das große Leid und der unendliche Schmerz meiner Oma Hanna aus Carlsruhe, Lkr. Oppeln: Im Januar 1945 wurde dort ihr ältester Sohn Hans ermordet. Hanna schleppte ihn aus dem brennenden Haus. Nach ein paar Stunden verblutete er. Da sich kein Mensch und schon gar kein Mann aus dem Haus oder 20auf die Straße trauten, weil sie sofort von den Russen erschossen worden wären, musste Oma Hanna selber ihren eigenen Sohn in die hart gefrorene Erde im Garten begraben, ein-gewickelt in ein Bettlaken. Die vielen Bewohner von Carlsruhe, die damals ermordet worden waren, wurden im Mai 1945 in einem Massengrab auf dem katholischen Friedhof begraben. Diese Tragödie liegt 75 Jahre zurück. Sie sollte zu unserer Mahnung in uns wach bleiben.
Wir Schulkinde pflegten damals verlassene Kindergräber und zündeten an Allerseelen kleine Kerzen des Gedenkens darauf an. Auf dem gleichen Friedhof wurde auch der damals verstorbene Doktor Kluger, ein sehr guter und kluger Arzt, begraben, der leider der Trunksucht verfallen war. Wir Schulkinder waren alle am Begräbnis beteiligt. Ich stand direkt an der gemauerten Gruft, sah und hörte, wie darin ein Arbeiter noch bis zur letzten Minute Wasser herausschöpfte, während der Begräbniszug schon das Friedhofstor passierte. Umstehende meinten: „Der Doktor hatte es gerne feucht, darum wird er es jetzt im Grab auch feucht haben“. Dieser Friedhof ist für mich ein wichtiger Ort des Nachdenkens und Gedenkens, denn hier ruhen mein Onkel Hans, Oma Johanna und Opa Rochus.
Bis vor wenigen Jahren war auch das Grab meiner Urgroßeltern noch da. Meine Eltern sind weit von hier in Westfalen begraben und ich kann ihre Gräber dort nicht besuchen, aber wir gedenken ihrer in Gebeten und Hl. Messen, zünden sonntags Kerzen im Wohnzimmer an und sind in Gedanken auch bei meinem viel zu früh verstorbenen Bruder, bei Schwiegersohn Damian und bei meinem Ehemann Eugen, der mit 87 Jahren starb und auf dem hiesigen Zobtner Friedhof ruht. Dorthin gehen meine Kinder und Enkel fast jeden Tag zum Pflegen und Gießen, denn wir schmücken das Grab nur mit natürlichem Grün. Sonntags nach der 7-Uhr-Messe bringen sie mich mit dem Auto zum Friedhof, da ich nur sehr schlecht laufen kann. Durch die Corona-Pandemie sind wir alle noch mehr ans Haus gebunden. Vielleicht finden wir mehr Zeit zum Denken, Gedenken und Nachdenken!
Steffi Wróbel, 91 Jahre

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